Mit dem Jahressteuergesetz 2024 (JStG) soll die Besteuerung des Vermögenszuwachses des § 6 AStG (sog. (Wegzugsbesteuerung) auf Investmentanteile und Anteile an Spezial-Investmentfonds nach dem Investmentsteuergesetz (InvStG) ausgedehnt werden. Dies sieht der Gesetzesentwurf vor, der am 18.10.2024 final im Bundestag angenommen wurde und im November den Bundesrat passieren soll.
Schließung von Besteuerungslücken
Die vom Bundesrat angestoßene und durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses im JStG ergänzte Gesetzesänderung soll für mehr Rechtssicherheit sorgen und Besteuerungslücken schließen. Bislang unterfallen Anteile, die eine Privatperson an einem Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds in der Rechtsform eines Sondervermögens hält, nicht dem Tatbestand der Wegzugsbesteuerung für Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG), weil ein Anteil an einem Sondervermögen kein Anteil im Sinne des § 17 EStG ist. Der Wegzug des Investors führt daher aktuell nicht zu einer Wegzugs- oder Entstrickungsbesteuerung der stillen Reserven in den Fondsanteilen. Zudem war in der Vergangenheit unklar, ob Investmentfonds-Anteile oder Spezial-Investmentfonds in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft von der Wegzugsbesteuerung erfasst sind.
Laut Gesetzesbegründung soll dies in der Vergangenheit mitunter dazu genutzt worden sein, durch einen Wegzug die Besteuerung von Wertzuwächsen eines Investmentfonds zu vermeiden. Es soll auch vorgekommen sein, dass Beteiligungen an Startup-Unternehmen zu einem frühen Zeitpunkt in Fonds eingelegt wurden, um bei einem späteren Wegzug ins Ausland die Besteuerung von Wertsteigerungen zu vermeiden. Diese „Besteuerungslücken“ sind durch Mitteilungen von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nach §§ 138d ff. AO (DAC 6) zu Tage getreten. Um derartige Unsicherheiten und Umgehungskonstellationen zu verhindern, sieht der Entwurf des JStG zwei Änderungen im Investmentsteuergesetz vor, die im Wesentlichen die Regelung des § 6 AStG nachbilden und an die Besonderheiten des Investmentsteuerrechts anpassen, aber diese auch verschärfen.
Änderungen des Investmentsteuergesetzes
Den §§ 19, 49 InvStG soll jeweils ein Absatz hinzugefügt werden, der von Privatpersonen gehaltene Anteile an Investmentfonds bzw. Spezial-Investmentfonds der Wegzugsbesteuerung unterwirft. Erfasst werden dabei sowohl Anteile an inländischen als auch an ausländischen Fonds und unabhängig davon, ob sie in inländischen oder ausländischen Depots verwahrt werden. Ausschlaggebende Kriterien sind vielmehr, dass eine natürliche Person die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 6 Abs. 2 AStG erfüllt und relevante (Spezial-)Investmentanteile unmittelbar oder mittelbar (z.B. über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft) im Privatvermögen hält.
Als veräußert gelten diese Anteile angelehnt an § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG dann, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland endet, die Investmentanteile unentgeltlich auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person übertragen werden oder wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik aus sonstigen Gründen beschränkt oder ausgeschlossen wird.
SCHWELLENWERTE FÜR „GEWICHTIGE“ FÄLLE
Die Gesetzesänderung will indes nicht sämtliche, sondern lediglich „gewichtige“ Fälle erfassen, bei denen ein mit § 17 EStG vergleichbarer Beteiligungsumfang besteht. § 19 Absatz 3 – neu InvStG soll daher zwei verschiedene Schwellenwerte enthalten: Einerseits soll der Wertzuwachs der Anteile nur besteuert werden, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Veräußerungsfiktion mindestens 1 Prozent der ausgegebenen Investmentanteile eines Investmentfonds gehalten wurden. Andererseits soll die Wegzugsbesteuerung aber alternativ auch dann greifen, wenn zwar keine Beteiligung von mindestens 1 Prozent vorliegt, die Anschaffungskosten je Beteiligung aber mindestens 500.000 Euro betrugen. Dieses Anknüpfungskriterium stellt ein Novum der Entstrickungsbesteuerung dar. Mehrere Beteiligungen an verschiedenen Investmentfonds werden dabei aber nicht zusammengerechnet. Im Fall des § 49 Absatz 5 – neu InvStG sind keine Schwellenwerte geplant, da Beteiligungen von Privatpersonen an Spezial-Investmentfonds per Fiktion generell als gewichtige Fälle gelten. Somit geht die sog. Wegzugsbesteuerung bei Investmentanteilen über die Wegzugsbesteuerung bei Beteiligungen an Gesellschaften nach § 6 AStG i. V. m. § 17 EStG hinaus. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass bei Investmentfonds potenziell mehr unversteuerte stille Reserven gebildet werden könnten, weil diese nur mit einem geringen Teil ihrer Einkünfte der Körperschaftsteuer unterlägen, wohingegen Kapitalgesellschaften mit allen Einkünften körperschaftsteuerpflichtig sind.
Folgen für die Praxis
Nach der geplanten Gesetzesänderung greifen für Anteile an Investmentfonds bzw. Spezial-Investmentfonds darüber hinaus über den Verweis auf § 6 Abs. 2 bis 5 AStG die Regelungen zur Entstehung, zum Entfallen, zur Fälligkeit und zu Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten, aber insbesondere auch die Stundungs- und Rückkehrerregelungen und deren Restriktionen.
Das Ziel des Gesetzgebers ist, eine Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen und Steuerumgehungen auszuschließen. Die neuen Regelungen haben aber eine überschießende Wirkung und umfassen eine Vielzahl nicht missbräuchlicher Fälle. Es stellt sich auch hier die Frage der Unionskonformität. Insbesondere die Anknüpfung an Anschaffungskosten als Alternative zur Mindestbeteiligung führt zu einer zusätzlichen fiskalischen Verschärfung des Systems der Wegzugsbesteuerung. Das JStG stellt daher eine starke Restriktion der internationalen Flexibilität dar. Investoren von Investmentfonds bzw. Spezial-Investmentfonds sollten sich daher bei grenzüberschreitenden Konstellationen rechtzeitig rechtlich und steuerlich beraten lassen, um teure Überraschungen zu vermeiden.